Die modernen Küstenraketentruppen der Volksmarine 1980-1990
Klaus-Peter Gödde, Fregattenkapitän a.D.
Der Aufbau
Die Volksmarine der DDR war in den 30 Jahren ihrer Existenz stets eine moderne, gut ausgebildete und den geografischen Bedingungen der westlichen Ostsee angepasste kampfstarke Teilstreitkraft der NVA und ein zuverlässiger Partner der verbündeten Flotten des Warschauer Vertrages. Dazu gehörte auch die Waffengattung der Küstenartillerie- und Raketentruppen. Der Chef der Volksmarine (VM) Vizeadmiral (später Admiral) Ehm erhielt von der sowjetischen Seite schon im Dezember 1974 erste Auskünfte zum neuen Küstenraketenkomplex (KRK) „Rubesh” und Mitte 1978 in Sewastopol weitere Angaben. Die Führung der VM entschied sich daraufhin für seine Einführung. Auf der Grundlage der Anordnung-Nr.18/79 des Stellvertreters des Ministers und Chef der VM vom 22.05.1979 begann im Spätsommer 1979 der Aufbau der Küstenraketentruppen der zweiten Generation. Mit dem Küstenraketenkomplex „Sopka” hatte die Volksmarine schon in den Jahren 1962-1972 Einsatzerfahrungen gesammelt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Stabschef der damaligen Speziaküstenartillerie-Abteilung, Fregattenkapitän Kurt Stippkugel, den Befehl erhielt die Küstenraketenabteilung-18 (KRA-18) bis 1983 aufzubauen. Die erste personelle Auffüllung erfolgte im Kommando der VM, dann wurden diese Kräfte nach Stralsund in die Dienststelle der Schiffsstammabteilung 18 (SStA-18) verlegt. Dort wurde die Zuführung weiteren Personals fortgesetzt und allgemeinmilitärische Ausbildung durchgeführt. Am 29. April 1980 erfolgte die Verlegung der gesamten Abteilung in die Dienststelle Schwarzenpfost 15 km östlich von Rostock. Die in Aufbau befindliche Küstenraketenabteilung (KRA) wurde somit Gast bei der Raketentechnischen Abteilung der 4. Flottille, (RTA-4). Sie konnte aber die Infrastruktur der RTA-4 nutzen. Die Unterbringung des gesamten Personals erfolgte in einer Baracke. Obwohl sämtliche Räumlichkeiten für Mensch und Technik sehr begrenzt waren, lief die Zusammenarbeit mit den Angehörigen der 4. Flottille beispielhaft gut. Dabei war die KRA erst zur Hälfte aufgefüllt und von den 54 geplanten Kraftfahrzeugen waren erst 5 vorhanden. Trotzdem machten die beiden Einheiten das Beste draus. Ab Juni 1980 bis März 1981 wurde begonnen, die ersten Gefechtsraketen P-21 und P-22, aber auch Lehrmodelle und ein Schnittmodell für die Ausbildung in Frankfurt/Oder abzuholen. Im Oktober 1980 wurden die ersten beiden selbstfahrenden Startrampen (SSR) „Rubesh” unter strengster Geheimhaltung am Gleisanschluss der Dienststelle entladen und montiert. Die Übergabe an die Besatzungen und die Unterweisung in die Bedienung und Wartung erfolgte durch eine sowjetische Spezialisten-Gruppe. Im März und April 1981 führte eine weitere Gruppe sowjetischer Spezialisten auch den endgültigen Aufbau des Raketen-Regelbereichs sowie eine intensive, spezialfachliche Ausbildung in der Technischen Batterie (TB) durch.
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Zwischen persönlicher Reflektion und Dokumentation
Mein persönlicher Bezug zum kleinen Raketenschiff Prj. 1241 RÄ der Volksmarine
Holger Neidel, Korvettenkapitän a.D.
Nach dem israelisch-ägyptischen Krieg 1967 begann man in der Sowjetunion neue Raketenschnellboote und kleine Raketenschiffe zu entwickeln. Diese sollten und haben eine verstärkte Luftabwehrbewaffnung und leistungsstärkere Seezielraketenkomplexe erhalten. Gleichzeitig wurden die funkelektronischen Mittel verstärkt und neue Antriebsanlagen entwickelt. Dass alles beeinflusste natürlich auch die Entwicklung der Kräfte und Mittel der Volksmarine. Nach einigen Beratungen im Rahmen der Besuche des Oberkommandierenden der sowjetischen Seekriegsflotte, Flottenadmiral der Sowjetunion Gorschkow, wurde entschieden, kleine Raketenschiffe des Projektes 1241RÄ ab 1984 in die Volksmarine zu übernehmen.
1981/82 stand für uns Absolventen der Höheren Kaspischen Schule der Seestreitkräfte S.M.Kirow (Каспийское высшее военно-морское Краснамённое училище имени С. М. Кирова) in Baku das Schreiben der Diplomarbeit an. Mein Thema: „Die Einschätzung der Effektivität eines Raketenschlages auf eine gegnerische Schiffsgruppierung unterschiedlichen Bestandes unter Berücksichtigung der Abwehrmöglichkeiten”. Die eigene Schiffsschlaggruppe bestand dabei aus Booten der Projekte 205, 1241RÄ und Hubschraubern. Es war dies wahrscheinlich die erste Arbeit, die sich mit dem Gefechtseinsatz der Projekte 1241RÄ aus Sicht der Volksmarine befasste. Dieses Thema sollte mich tatsächlich über ein knappes Jahrzehnt und darüber hinausbegleiten. Anfang April 1983 wurden die ersten Gespräche mit Angehörigen der 6. Flottille zum Einsatz auf der neuen Technik geführt. Alle dafür Vorgesehenen (zukünftige Schiffsoffiziere, Unteroffiziere, Spezialisten des Stabes und Instandsetzungspersonal) wurden in einem Raum im Flottillenstab versammelt. Der FCH, K.z.S. Grießbach, eröffnete uns, dass „… im Rahmen der planmäßigen Modernisierung der Flottenkräfte der Volksmarine die 6. Flottille in naher Zukunft eine neue Generation raketentragender Schiffe erhalten wird. Sie werden die Kampftechnik der 90-er Jahre darstellen”, und, dass die Anwesenden dafür ausgewählt wurden. Zu diesem Zweck würde die Ausbildung in der Sowjetunion durchgeführt werden, im Ausbildungszentrum der Baltischen Flotte in Riga. Wer dies nicht möchte (eine zeitweilige Trennung von der Familie wäre nötig), könne sich auch dagegen entscheiden, ohne Nachteile zu befürchten. Einige machten dann davon auch Gebrauch. Mit den übrigen Genossen, die aus allen Brigaden und Truppenteilen der Flottille kamen, wurden persönliche Gespräche geführt. Informiert wurden wir über die zukünftig vorgesehene Dienststellung. Persönliche Probleme für den Zeitraum der Abwesenheit (benötigte Kinderbetreuungsplätze, Arbeit für die Ehefrau und sonstige Unterstützung) wurden besprochen und Lösungen vorgeschlagen.
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