Nach kurzer Konsultation des Oberoffiziers für Finanzökonomie, Oberleutnant Frank Kretschmann, und Beratung mit der Führung stimmte ich zu. Unsere Truppen führten das erste Mal hochmotiviert das Großreinschiff im gesamten Objekt durch, sie wussten ja, was folgte. Ich glaube es war ein Freitag mit Sommerwetter, an dem wir nachmittags mit dem gesamten Personalbestand und den Bauarbeitern gemeinsam feierten. Unsere Rückwärtigen Dienste hatten lange Backs, seemännisch für Tische, und Bänke aufgestellt, es wurde gegrillt und pro Uniformierten genehmigte ich 2 Flaschen Bier. Unsere Truppen hatten sich diese Feier redlich verdient. Für die Bauarbeiter war der Alkohol übrigens nicht limitiert.
Der nächste Höhepunkt im Leben des Küstenraketenregiments 18 wartete schon, die Namensverleihung. Bereits zum 1.Mai 1985 war der Schule POS in Gelbensande der Name „Waldemar Verner“ verliehen worden. Admiral Waldemar Verner war antifaschistischer Widerstandskämpfer, hatte die Volkspolizei See, später Seestreitkräfte und ab 1956 Volksmarine der DDR, als Chef aufgebaut. Er hatte dann die Funktion des Stellvertreters des Ministers und Chefs der Politischen Hauptverwaltung der NVA übernommen und war 1982 verstorben. An den Feierlichkeiten in der Schule hatten wir teilgenommen und ich hatte dabei die Gelegenheit, mich mit der Familie Verner, das waren die Ehegattin, Tochter und Sohn des verstorbenen Admirals, bekannt zu machen. Außerdem durfte ich sie nach der Feier in der Schule in unserem Objekt empfangen und ihnen unser Küstenraketenregiment 18 vorstellen. Der Hintergrund war, dass unserem Regiment der Ehrenname „Admiral Waldemar Verner“ verliehen werden sollte. Dass war mir, und den Angehörigen der Familie Verner natürlich auch, zu diesem Zeitpunkt schon bekannt. Wir bereiteten ihnen einen herzlichen Empfang und die Atmosphäre war sehr aufgeschlossen. Einige Zeit später besuchte der Bruder von Waldemar Verner, Paul Verner, Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, unser Regiment. Er war aus gesundheitlichen Gründen inzwischen bereits im Ruhestand. Ich machte ihm Meldung am KDL, berichtete ihm im Traditionskabinett über unser Regiment und führte ihn kurz durch unser Objekt.
Auch die Begegnung mit ihm war sehr herzlich. Ich denke, dass die Familie Verner nach diesen Besuchen ihre Zustimmung zur geplanten Namensverleihung gab. Am 06.10.1985 war es dann soweit. Die Namenverleihung führte im Auftrag des Ministers für Nationale Verteidigung der Chef der Volksmarine, Admiral W. Ehm, durch. Wir hatten alles exakt vorbereitet, es waren Vertreter unserer Paten, Militärforst, Kampfgruppe des Militärforst, POS Gelbensande anwesend, dazu der 1.Sekretär der Kreisleitung der SED, Heinz Stock, und unsere Ehrengäste Frau Brigitte Verner, ihre beiden erwachsenen Kinder und Paul Verner. Es war bei schönem Herbstwetter außerordentlich feierlich. Erstmals hatten wir eine Tribüne errichtet und daneben unsere Kampftechnik aufgestellt, eine Startrampe in Startstellung und davor eine Rakete. Dafür hatte ich selbstverständlich die Genehmigung des STMCVM eingeholt.
Unsere Gäste bei der Verleihung des Namens „Admiral Waldemar Verner“ an das Küstenraketenregiment 18.
Ich hatte alle Gäste und Ehrengäste sowie den Chef der Volksmarine am KDL empfangen und meinen Stellvertreter, Korvettenkapitän H.- J. Helm, mit ihrer weiteren Betreuung beauftragt. Der Stabschef meldete mir das angetretene Regiment. Ich begrüßte es, übernahm das Kommando und ließ die Truppenfahne einmarschieren. Nachdem die Gäste neben und die Ehrengäste auf der Tribüne ihre Plätze eingenommen hatten, meldete ich dem Chef der Volksmarine das zur Namensverleihung angetretene Regiment. Admiral W. Ehm schritt mit mir die Front ab und begab sich auf die Tribüne. Dann wurde der Befehl verlesen, das Fahnenkommando trat vor und der Chef der Volksmarine befestigte die Fahnenschleife mit dem Schriftzug „Waldemar Verner“ an unserer Truppenfahne. Es folgte der Vorbeimarsch des Regiments unter meiner Führung. Anschließend gab ich in unserer Offiziersmesse, seemännisch Speisesaal für Offiziere, einen Empfang für Admiral W. Ehm, seine Begleitung und alle Gäste. Das war bereits der dritte Höhepunkt im Leben des Regiments, alle relativ kurzzeitig hintereinander.
Am 02.12.1985 verstarb der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, kurz nach seinem 75. Geburtstag. An den Bestattungsfeierlichkeiten in der Gedenkstätte der Sozialisten, dem Zentralfriedhof Berlin Friedrichsfelde, nahm ich im Bestand der Delegation der Volksmarine unter der Leitung des Chefs des Stabes, Konteradmiral T. Hoffmann, teil. Zum neuen Minister für Nationale Verteidigung wurde Armeegeneral Heinz Keßler ernannt, bis dahin Chef der Politischen Hauptverwaltung der NVA.
Im Ausbildungsjahr 1985/86 stieg die Anzahl der Kontrollen durch den Stab der Volksmarine im Küstenraketenregiment 18 drastisch an. Das setzte sich auch im Ausbildungsjahr 1986/87 fort. Anscheinend sollte das der langfristigen Vorbereitung der Inspektion dienen. Für das Regiment war es weniger eine Hilfe und Unterstützung, als vielmehr eine zusätzliche Belastung. Dadurch wurde uns die kontinuierliche Aufbauarbeit und Ausbildung erschwert.
Wenn ich einmal alle Übungen, Überprüfungen und Kontrollen zusammenzähle, ergibt das für ein Ausbildungsjahr die Summe von zum Teil mehr als 20 dieser Maßnahmen! Zum Bestand einer Kontrollgruppe gehörten bei mittleren Kontrollen mindestens 10 Offiziere, die Dauer betrug 1-4 Tage! Der Auswertebericht umfasste ungefähr 20 Seiten und auf den letzten war aufgezählt, welche Maßnahmen der Kommandeur unverzüglich zur Beseitigung der festgestellten Mängel einzuleiten hatte. Logisch war, dass es grundsätzlich keine Kontrolle ohne die Feststellung von Mängeln geben konnte. Selbst auf eine gute Einschätzung folgte immer ein „Aber…! Das alles waren zusätzliche Veranstaltungen neben dem normalen Dienst: Gefechtsausbildung, Politschulung, Wartung u.a. Parallel dazu lief ständig der Prozess der weiteren Übernahme und Eingliederung von neuem Personal, Technik und Bewaffnung. Eigentlich war dieser gewaltige Berg von Aufgaben doch gar nicht zu bewältigen? Doch, wir haben es ja alles geschafft, aber nur mit Hilfe der hohen Einsatzbereitschaft unserer Truppen und manchmal auf Kosten der Qualität.
Der Vertreter des VOK, Admiral N. I. Chowrin mit dem STMCVM im Küstenraketenregiment 18 1984.
Im Januar 1986 führte der Stellvertreter des Chefs der Volksmarine und Chef der Rückwärtigen Dienste, Vizeadmiral Hans Hoffmann, er wurde vertreten durch Konteradmiral Münch, mit 34 Admiralen, Offizieren und Zivilbeschäftigten eine Kontrolle der Rückwärtigen und Technischen Sicherstellung im Küstenraketenregiment 18 durch. Er stellte eine unzureichende Vorbereitung auf die Kontrolle und die bereits mehrfach aufgeführten Mängel fest. Im Auswertebericht wurde ausdrücklich festgehalten, dass das Regiment umfangreicher Unterstützung, Hilfe und Anleitung seitens des Stabes der Volksmarine bedarf. Zum Stab der VM gehörten aber selbstverständlich auch die Kontrollierenden! Also wieder nur Theorie, in der Praxis folgte – nicht viel, jedenfalls nichts Bedeutendes.
Zum 01.03.1986 erhielt ich eine hohe Anerkennung für meine erfolgreiche Arbeit beim Aufbau des Küstenraketenregiments 18. Ich wurde mit dem „Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland“ in Bronze ausgezeichnet. Für mich war das eine besondere Ehre und ich war sehr stolz darauf. Wieder hatten meine engsten Mitarbeiter nach der Auszeichnung im Kommando der Volksmarine einen herzlichen Empfang für mich im Regiment vorbereitet, Gratulationen, Blumen und natürlich die Feier im Kreis meiner direkten Unterstellten. Ich bedankte mich bei allen und brachte ihnen gegenüber zum Ausdruck, dass meine Auszeichnung auch ihre Auszeichnung sei. Nach unserer ausgiebigen Feier nahm ich zu Hause die Gratulation meiner Familie entgegen. Sie hatte daran ebenfalls einen hohen Anteil. Im Frühjahr war endlich unser neues Wirtschaftsgebäude fertig und wir konnten mit der Planung eines komplexen Ausbildungsgebäudes durch den Ausbau des alten Wirtschaftsgebäudes beginnen.
Im Kabinett, die Geräte in der Gefechtskabine der SSR.
Alles schufen wir in Eigenleistung bei zum Teil unzureichender Unterstützung der im Stab der Volksmarine dafür verantwortlichen Dienste. Das war übrigens eines der größten Probleme beim Aufbau des Küstenraketenregiments 18 überhaupt, das Fehlen einer Ausbildungsbasis. Für mich völlig unverständlich, dass sie auch im Weiteren, trotz meiner ständigen Bemühungen, nicht geplant wurde. Dazu hätten gehört: Ordentliche Ausbildungsunterlagen, Anschauungstafeln, Lehrklassen und Kabinette, Trainer und Simulatoren, Lehrgefechtstechnik, ein eigenes Übungsgelände, Sportanlagen, Schießstand u.a. In der Volksmarine gab es dafür durchaus auch positive Beispiele. Im Kommando der Volksmarine und in den Flottillen existierten Sportplätze, Sporthallen, Schwimmbäder, in den Flottillen zusätzlich Lehrkabinette, Trainer u.a. Selbst im Nachrichtenbataillon-18, später Regiment, wurde eine Ausbildungsbasis gebaut. Warum für das Küstenraketenregiment 18 nichts?
Die Gesamtkonzeption für den Aufbau einer Ausbildungsbasis in Eigenleistung wurde dann 1987 durch uns selbständig erarbeitet. Begonnen wurde bereits 1986 mit der Einrichtung eines Funkkabinetts für Sprechfunk und Funktelegrafie auf der Basis eines Neuerervorschlages. Die dafür notwendige Technik wurde bereitgestellt und die Unterlagen für die Ausbildung selbst erarbeitet. Führend waren dabei unsere Nachrichtenspezialisten, Kapitänleutnant Ralf Jähnig und Stabsobermeister Ralf Jedaschko. Im Garagentrakt wurden zwei Lehrklassen für die Kfz-Ausbildung geschaffen und für die Allgemein-Militärische Ausbildung wurde eine Kreistrainingsanlage und eine Handgranatenwurfanlage errichtet, auch das alles in Eigenleistung. Später kamen andere Lehrkabinette dazu. Selbst die Ausbildung der Vermessungsgruppen der Abteilungen musste auf Grund fehlender Ausbilder und Ausbildungsunterlagen in Eigenregie organisiert werden.
Bei der Überprüfung der Gefechtsbereitschaft „Hanse 86“ im April erhielt das Regiment die Einschätzung „Gefechtsbereit“. Dabei wurden die Normzeiten insbesondere für das Beladen der Startrampen mit Raketen und für das Entfalten der Einheiten in die Stellungsräume unterboten. Probleme traten in den Raketentechnischen Batterien bei der Überführung von Raketen in höhere Bereitschaftsstufen auf.
In jedem Ausbildungsjahr wurden im Regiment mindestens 10 umfangreiche Trainings von Elementen der GB in allen Varianten durchgeführt. Dazu kamen der monatliche „Tag der Gefechtsbereitschaft“ und natürlich die überraschenden Überprüfungen. Einzelne Elemente, die dabei trainiert wurden und für die feste Normzeiten existierten, waren unter anderem: Die Alarmierung und Heranholung des Personalbestandes, das Beladen der Startrampen mit Raketen, das Verlassen des Objekts durch die Kampfeinheiten, das Entfalten in die verschiedenen Stellungen u.a. So betrug zum Beispiel die Norm für das Beladen einer Startrampe mit zwei Raketen auf einem Beladepunkt mit einem Kran „ADK-125“ von einer Raketentransporteinrichtung „KRAZ-255 B“ 30 Minuten. Das war die Zeit vom Beginn bis zum Verlassen des Beladepunktes durch die Startrampe mit zwei Raketen an Bord. Bei den durchgeführten Trainings mit dem Besetzen des Führungspunktes des Chefs der KRT auf dem HGS des Chefs der Volksmarine durch den Regimentskommandeur konnte nach wie vor für uns eine effektive Führung der Kräfte mit den durch den Stab der Flotte zur Verfügung gestellten Nachrichtenmitteln nicht sichergestellt werden. Bei der Übung „Lüfter 86“ trainierten die Einheiten des Regiments die etappenweise Herstellung höherer Stufen der Gefechtsbereitschaft einschließlich Mobilmachungsmaßnamen.
Im Mai 1986 nahm die 1.Küstenraketenabteilung, Kommandeur Korvettenkapitän U. Lonitz, an der jährlichen Übung der Stoßkräfte der Volksmarine in vollem Bestand teil. Das erfolgte gleichzeitig mit der Durchführung des Feldlagers auf der Halbinsel Südbug der Insel Rügen. Die Gefechtsaufgabe bestand in der Bekämpfung von Überwasserschiffskräften in der Arkonasee. Auf Grund der überaus komplizierten Wetterlage, starker Sturm, konnten die Schiffsstoßkräfte nicht aus ihrem Stützpunkt Bug/Dranske auslaufen. Damit waren die Küstenraketentruppen die einzige Stoßkraft der Volksmarine, die handeln konnte und die Aufgaben erfüllte. Erstmals erfolgte dabei erfolgreich der Einsatz der Raketenbewaffnung der Startrampen nach den Angaben des sowjetischen Aufklärungs- und Schlagkomplexes „Uspech“. Diese Übung bewies überzeugend die taktischen Vorteile der Küstenraketentruppen gegenüber den Schiffsstoßkräften beim Gefechtseinsatz unter allen Bedingungen.
Auch beim 3. Raketenschießabschnitt des Küstenraketenregiments 18 unter meiner Leitung im Juli 1986 erzielten die zwei Besatzungen mit ihrer Startrampe, diesmal wieder die 1. Küstenraketenabteilung, zwei Volltreffer.
Eine Startbatterie in der Startstellung.
Und die Kontrollen wurden fortgesetzt. Im Juli gab es eine Teilkontrolle des Stabes der Volksmarine auf dem Gebiet des Raketen- Waffentechnischen Dienstes. Dabei wurden Mängel bei der Lagerung von Waffen und Munition im Bereich meines Stellvertreters für Raketenbewaffnung, Korvettenkapitän Klaus- Dieter Glodschei, festgestellt. Das Ergebnis war eine Aufgabenstellung und die darauf folgende Beseitigung der Mängel. Es folgte eine Teilkontrolle auf dem Gebiet Operativ mit einem guten Ergebnis.
Weiter ging es Anfang Oktober mit einer Teilkontrolle des Bereichs Ausbildung des Stabes der Volksmarine zu Fragen der Gefechtsausbildung. Die dabei festgestellten Mängel bei der Führung der Ausbildung durch den Kommandeur wurden, ausgehend von einer Aufgabenstellung, beseitigt, wie bei der Nachkontrolle festgestellt wurde.
Im August erfolgte endlich die Lieferung von weiteren vier Raketentransporteinrichtungen „KRAZ-255 B“. Damit war die Zuführung der Raketen für die 2.Salve der Startrampen in die Stellungsräume für beide Küstenraketenabteilungen sichergestellt. Es fehlten weiterhin vier Raketentransporteinrichtungen für den Lager- Transportzug.
Zum Ende des Ausbildungsjahres 1985/86 verließen verdienstvolle Offiziere unser Regiment, mit denen ich seit der Indienststellung 1983 zusammengearbeitet hatte. Das waren mein Stellvertreter und Leiter der Politabteilung, Korvettenkapitän Hans-Joachim Helm, der Kommandeur der 1.Küstenraketenabteilung, Korvettenkapitän Uwe Lonitz, und der Kommandeur der Raketentechnischen Abteilung, Kapitänleutnant Dieter Eger. Sie alle hatten erfolgreich Aufbauarbeit unter schwierigsten Verhältnissen geleistet und konnten stolz auf das Ergebnis sein. Mich verband mit ihnen die gemeinsame, schöpferische und kameradschaftliche Arbeit. Nach dem Beginn meines Dienstes als Kommandeur des Küstenraketenregiments 18 hatte ich meine vordringlichste Aufgabe darin gesehen, ein effektiv funktionierendes Führungskollektiv, wozu alle mir direkt Unterstellten gehörten, mit einheitlichen Anschauungen zu formen. Das war außerordentlich kompliziert, da ich selbst, meine Stellvertreter, die Angehörigen des Stabes, der Politabteilung, der Bereiche der Stellvertreter und der Rückwärtigen Dienste sowie die Kommandeure der Küstenraketenabteilungen mit ihren Stellvertretern neu in ihren Dienststellungen waren. Das heißt, wir mussten uns erst einarbeiten. Dabei war für mich besonders wichtig, meine Erfahrungen aus langjähriger Tätigkeit als Stabschef und Kommandeur eines Truppenteils ständig meinen Stellvertretern während ihrer Einarbeitung zu vermitteln. Sie hatten alle bisher noch nicht in dieser Führungsebene gearbeitet. Auch die Kollektive mussten arbeitsfähig gemacht werden. Aber gleichzeitig waren alle anderen zahlreichen Aufgaben zu erfüllen – und natürlich in guter Qualität! Dieses komplexe Riesenproblem erfolgreich zu lösen gelang uns nur dank der hohen Einsatzbereitschaft und Initiative, die jeder Einzelne entwickelte. Besonders wichtig war dafür die hocheffektive Arbeitsatmosphäre, die ich von Anfang an in unserem Führungskollektiv durchsetzte und die auch für unser gesamtes Regiment charakteristisch wurde. Mit meinen Mitarbeitern bildete sich dabei ein kameradschaftliches, mit einigen ein freundschaftliches, Verhältnis heraus.
Sehr wichtig war für mich die Zusammenarbeit mit den Zivilbeschäftigten, die einen hohen Anteil an der erfolgreichen Arbeit des Regiments hatten. Da sie alle Mitglieder des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) waren, wurden ihre Interessen durch den gewählten Vorsitzenden der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) Jürgen Berger vertreten. Er arbeitete in dieser Funktion von der Indienststellung bis zur Auflösung des Regiments. Für den Regimentskommandeur war er eine wichtige Persönlichkeit und ich musste mit ihm eine effektive Zusammenarbeit aufbauen. Das war nicht kompliziert, wir wurden gute Freunde, obwohl er als Interessenvertreter der Zivilbeschäftigten mir gegenüber immer konsequent auftrat, aber im Interesse des Regiments. Wie seine Kollegen Wolfgang Hauschild und Adolf Alex arbeitete er schon ewig im Objekt im Unterkunftsdienst und daher kannten sie alle Gebäude, Versorgungsleitungen und andere Einrichtungen wie ihre eigene Westentasche. Sie arbeiteten sehr zuverlässig und fleißig. Als ich ihn einmal fragte, was sie gerade machen würden, antwortete er mir, dass sie sich wie immer mit ihrem Hauptproblem „GWS“ beschäftigten. Auf meine fragende Miene reagierend, mir war diese Abkürzung nicht bekannt, decodierte er: „Gas, Wasser, Sch…“! Wieder hatte ich etwas dazugelernt.
Obwohl sie laut „STAN“ die Leiterin der Geschäftsstelle des Küstenraketenregiments 18 war, arbeitete sie als die Sekretärin des Regimentskommandeurs und residierte demzufolge in meinem Vorzimmer. Von der Indienststellung bis zur Auflösung des Regiments versah Stabsobermeister Petra Zülow in dieser Funktion ihren Dienst. Sie war sehr zuverlässig, fleißig und im Regiment eine Autorität. Sie kümmerte sich einfach um alles, äußerte mir gegenüber aber auch offen und kritisch ihre Meinung. Sie unterstützte mich ausgezeichnet bei der Erfüllung meiner Aufgaben und war immer bemüht, mir Arbeit abzunehmen. Daneben versorgte sie mich ständig mit offiziellen und inoffiziellen Informationen, sie wusste einfach alles über die Vorgänge im Regiment. Während unserer langjährigen, täglichen Zusammenarbeit entwickelte sich zwischen uns ein freundschaftliches Verhältnis. Trotzdem duzten wir uns erst nach Auflösung der Nationalen Volksarmee, was an meinen Prinzipien lag. Im Dienst hielt ich grundsätzlich Abstand von Frauen, außer meiner eigenen. Nach der Auflösung der NVA wurde sie durch die Bundeswehr übernommen und diente später unter anderem in Afghanistan.
Besondere Unterstützung erhielt ich während meines gesamten Dienstes im KRR-18 durch die Leitung meiner Parteigrundorganisation Stab/Politabteilung der SED, in der ich selbst Mitglied war. Mit dem Parteisekretär Jürgen Zöger, den Mitgliedern Sascha Teuber und Frank Kretzschmann verband mich ein freundschaftliches, aber auch kritisches Verhältnis. Es gehörte zu unseren Gewohnheiten, dass ich zu besonderen Problemen vor der Parteileitung selbstkritisch Stellung bezog. Auch in den Mitgliederversammlungen der SED hatte ich, wie jedes andere Parteimitglied, Rechenschaft abzulegen über meine Tätigkeit. Bei Notwendigkeit wurde kritisiert, aber auch gelobt. Für mich persönlich hatte ich auf der Basis meines langjährigen Dienstes als Vorgesetzter in verschiedenen Dienststellungen Führungsprinzipien entwickelt, nach denen ich arbeitete:
- Im Mittelpunkt der Führungstätigkeit steht der Mensch.
- Ehrlichkeit gegenüber und Vertrauen zu allen Unterstellten. Respektierung und Achtung der Persönlichkeit. Korrektes, militärisch höfliches Auftreten, bescheiden aber zugleich selbstbewusst als Kommandeur des KRR-18.
- Gestaltung der Beziehungen zu den mir direkt Unterstellten nicht nur rein dienstlich, sondern darüber hinaus kameradschaftlich und freundschaftlich.
- Ständig Vorbild sein, Vorleben und Vormachen.
- Tiefgründige Analyse der eigenen Handlungen und der der Unterstellten sowie die sorgfältige Auswertung und Beachtung der daraus gezogenen Schlussfolgerungen bei der Arbeit.
- Entscheidend sind Taten– nicht Reden. Mein Leitspruch dazu: „Das Kriterium der Wahrheit ist die Praxis!
- Streben nach umfassendem theoretischem Wissen und praktischem Können.
- Persönliche Identifizierung mit dem unterstellten Truppenteil.
- Wahrung der seemännischen Traditionen.
Diese Prinzipien in allen Situationen konsequent durchzusetzen ist mir bestimmt nicht gelungen, aber ich habe mich immer darum bemüht! Auch hier galt die berühmte Feststellung: „Nobody is perfect!“ Meine wichtigste Führungsmethode war das persönliche Gespräch mit allen Unterstellten und Beratungen mit ihnen. In der gesamten Aufbauphase waren für mich die Beratungen äußerst wichtig mit dem gesamten Führungskollektiv oder bei ausgewählten Themen mit dem jeweiligen dafür zuständigen Stellvertreter. Meistens waren daran der Leiter der Politabteilung und der Stabschef beteiligt. Wegen des akuten Zeitmangels mussten diese Maßnahmen straff und effektiv geführt werden. Bei unterschiedlichen Meinungen handelte ich nach dem Grundsatz: Überzeugen kommt vor dem Befehl. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass ich im täglichen Dienst keinen Befehl zu wichtigen Fragen im Regiment erließ ohne vorherige ausführliche kollektive Beratung. Für meine direkten Unterstellten war ich jederzeit zu sprechen. Für alle Angehörigen des Regiments hatte ich eine tägliche, offizielle Sprechzeit auch ohne vorherige Anmeldung.
Ich möchte hier noch einmal feststellen, dass ich insgesamt, trotz der äußerst hohen persönlichen Belastung, immer gern in unserem Regiment gedient habe. Ausschlaggebend dafür war vor allem die in meiner Verantwortung aufgebaute Atmosphäre, in der ich mich wohl fühlte und mit der sich alle identifizierten.
Der Chef der VM, Admiral W. Ehm, grüßt die Truppenfahne des KRR-18 bei der Namensverleihung.
Ein weiterer Schwerpunkt meines Dienstes als Kommandeur war die Arbeit mit den Kadern. Dabei unterstützte mich wesentlich der Oberoffizier Kader, Kapitänleutnant Sascha Teuber. Während meiner Dienstzeit im Regiment konnten nicht einmal alle vorhandenen Planstellen für Offiziere und Fähnriche zu 100% besetzt werden. Die unterste aber zugleich wichtigste Offiziersdienststellung im Regiment war die des Kommandeurs einer Startrampe, dann folgte der Batteriechef. Nach meiner Ansicht hätte beim Einsatz der Kader in der Volksmarine grundsätzlich von dem Prinzip ausgegangen werden sollen, dass die bedeutendste Dienststellung die des Kommandanten eines Schiffes/Bootes ist. Bezogen auf das Küstenraketenregiment 18 ist es die des Kommandeurs einer Startrampe bzw. Batteriechefs. Sie waren es, die vollkommen selbständig ihre Besatzungen und ihre Schiffe/Boote/Startrampen in jeder Situation, auch bei Verlust der Führungsverbindungen zu ihren Vorgesetzten, sicher führen und die gestellte Aufgabe, eingeschlossen auch den Einsatz der Raketenbewaffnung, erfüllen mussten. Hier wurden Charaktere und Kämpfernaturen entwickelt sowie Führungseigenschaften herausgebildet. Das waren die Grundlagen bei weiterer erfolgreicher Arbeit und Qualifizierung für einen späteren Einsatz in die Dienststellung Stabschef/Kommandeur einer operativen Einheit, eines Truppenteils oder Verbandes sowie für den Dienst im Stab der Volksmarine. Leider wurde dieses Prinzip nur selten beachtet Oft waren bei Kaderentscheidungen persönliche Ansichten der Vorgesetzten entscheidend. Für die wichtigsten Kommandeursdienststellungen im Regiment, einbezogen auch meine Stellvertreter, versuchten wir eine Kaderreserve zu bilden. Das war sehr kompliziert, die Decke war insgesamt viel zu dünn. Dazu gehörten solche erfahrenen Offiziere wie die Korvettenkapitäne Peter Schwarz, Wolfgang Domigalle, aber auch jüngere wie Kapitänleutnant Dietmar Braasch, die später alle als Kommandeure der Küstenraketenabteilungen eingesetzt wurden. Dank ihrer ausgezeichneten Ausbildung und Erfahrung im Umgang mit den Truppen waren sie bereit und in der Lage, alle Aufgaben zu erfüllen. Aber von uns wurden auch Vorschläge für die Qualifizierung von Offizieren durch den Besuch einer Militärakademie gefordert.
Der STMCVM, Admiral W. Ehm, ist im Objekt Schwarzenpfost eingetroffen.