Das Weitere im Telegrammstil.
Am 20. Juli wurden wir neu vereidigt. Am 10. September 1990 nahm ich mit meiner Frau an der Abschiedsvorstellung „meines“ Küstenraketenregiments-18 in der Rostocker Heide teil. Hier traf ich alte Freunde wieder, einige waren schon nicht mehr da und blickte stolz auf erstmals 10 Startrampen in Aktion. Doch die Abschiedsfeier war überschattet von der Ungewissheit für die Zukunft. Es war also ausgesprochen wehmütig. Eigentlich wusste ich ja, was uns erwartete. Aber so radikal, wie es dann tatsächlich eintrat, konnte ich gar nicht denken. Am 2.Oktober wurden auf Musterungen die Truppenfahnen der Truppenteile und Verbände „abgegeben“, damit hatte die NVA aufgehört zu existieren! Folgerichtig trafen bereits am nächsten Tag zur Übernahme der Führung die ersten Admirale und Offiziere der Bundesmarine im Kommando der Volksmarine ein, unsere ehemaligen „Gegner“ und jetzt plötzlich „Kollegen“? Im Ergebnis wurden wir erstmal in die Bundesmarine übernommen, ich war jetzt Kapitän zur See der Bundesmarine der BRD. Dann wurden sofort die Kokarden an den Mützen gewechselt und später wurden wir sogar neu eingekleidet. Damit verschwanden die letzten Symbole, die an die DDR und ihre NVA erinnern konnten. Außerdem sollte uns die letztere Maßnahme Sicherheit geben, denn wer wird denn schon so viel Geld verschwenden zum Einkleiden von Offizieren, wenn er sie entlassen will? Aber ich wurde trotzdem zum 31. Dezember 1990 aus der Bundesmarine entlassen. Damit war mein 34-jähriger Dienst in den bewaffneten Streitkräften beendet! Übrigens gab es keine große Abfindung, wie manche Leute erzählen, jedenfalls nicht für mich. Mir wurde lediglich ein Monatsgehalt im Voraus ausgezahlt, das war allerdings „Westgeld“! Ursache dafür war meine Unkenntnis in arbeitsrechtlichen Dingen, die meine neuen Vorgesetzten schamlos ausgenutzt hatten. Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erreichten sie, dass ich selbst kündigte. Bereits ein Jahr später, bei der Arbeit in meinem neuen Beruf wusste ich, dass man in der Marktwirtschaft alles machen darf, nur nicht selbst kündigen! Ich war natürlich nicht der Einzige.
In meinem 2. Beruf als Inhaber einer Handelsvertretung, hier auf der Messe ISH in Frankfurt/Main 2007 mit Thomas Huch, dem Geschäftsführer der gleichnamigen Firma.
Ich brauchte dringend Ablenkung, konzentrierte mich auf unseren Hausbau und bewarb mich bei verschiedenen Stellen um Arbeit. Am 1. April 1991 meldete ich mein Gewerbe als Handelsvertreter an und begann meine Arbeit als Inhaber einer Handelsvertretung in Mecklenburg-Vorpommern auf dem Gebiet Sanitär und Heizung. Ausgehend von meinen Kenntnissen und meiner Erfahrung arbeitete ich sehr erfolgreich. Gern erinnere ich mich an die außerordentlich effektive Zusammenarbeit mit meinen Vertragspartnern, mittelständischen Firmen, wie z.B. „Bamberger“, „Meibes-Systemtechnik“, „Kunststofftechnik Schedel“, „Huch Behälterbau“, „Steuernagel GmbH“, die dänische Firma „Pressalit“ u.a. Auch an die guten Beziehungen zu meinen Kunden, dem Großhandel für Sanitär und Heizung in Mecklenburg-Vorpommern, wie z.B. „Stitz & Co.“, „MAKRO“, „Paulsen & Eckhardt“, „Lange“ u.a. sowie gute Kollegen wie z.B. Klaus Schlepps, denke ich gern zurück. Ein Kuriosum war für mich, dass mir zu Beginn meiner Tätigkeit ausgerechnet ein Hauptmann der Reserve der Bundeswehr in einer komplizierten geschäftlichen Situation half. Herbert Steuernagel war und ist Inhaber einer Handelsvertretung in Hessen, ich arbeitete viel mit ihm zusammen und inzwischen verbindet uns eine Freundschaft.
Am 27. November 1991 konnte unsere Familie endlich in unser selbst erbautes, noch nicht ganz fertiges Haus einziehen. Ich richtete mein Büro und etwas später auch zusammen mit meiner Frau ihre Zahnarztpraxis – wir waren in der neuen Gesellschaft angekommen!
Nachdem ich bei der Erarbeitung unseres Buches „Die Küstenraketentruppen der Volksmarine“, über die Hintergründe meiner Versetzung noch einmal tiefgründig recherchiert hatte, komme ich zu einem ziemlich eigenartigen Resultat, das mir aber durchaus logisch erscheint. Dabei berücksichtige ich Informationen aus verschiedenen Quellen, die Art und Weise der Durchführung der Inspektion und Nachinspektion sowie der nachfolgenden Auswertung sowohl durch den Leiter der Inspektion als auch durch den Chef der Volksmarine. Anscheinend sollte wohl unter anderem auch auf dem Rücken des Küstenraketenregiments-18 die Frage entschieden werden, wer eher aus dem Dienst ausscheidet: Der 68- jährige Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral H. Keßler, oder der 69- jährige Chef der Volksmarine, Admiral W. Ehm. Natürlich keiner freiwillig, denn immerhin war der vorherige Minister im Alter von 75 Jahren im Amt verstorben. Einer musste wohl gehen, denn dieses für einen führenden Militär sehr hohe Alter konnte nicht, wie im Politbüro der SED, zur Gewohnheit werden. Um dieses Problem im Sinne des Ministers zu lösen, wurde nach Mängeln in der Führungstätigkeit des Chefs der Volksmarine gesucht. Die wurden natürlich dann mit seinem hohen Alter begründet und unter anderem auch bei uns im Regiment durch die Inspektion gefunden.
Der Minister für Nationale Verteidigung verabschiedet seinen Stellvertreter und Chef der VM am 30.11.1987.
Das führte schließlich dazu, dass Admiral W. Ehm gegen seinen Willen am 01.12.1987 in den Ruhestand versetzt wurde. Da hatte auch das Bauernopfer in Form der Versetzung des Kommandeurs des Küstenraketenregiments 18 und seines Stellvertreters und Leiters der Politabteilung, Korvettenkapitän H.- M. Kubasch, der nach Absolvierung der Leninakademie erst am 01.12.1986 seinen Dienst im Regiment angetreten hatte, nicht mehr geholfen. Das deckt sich übrigens auch mit der Anmerkung von Admiral T. Hoffmann in seinem bereits angeführten Buch. Dort berichtet er über ein persönliches Gespräch mit dem Minister für Nationale Verteidigung Anfang 1987, in dem ihm dieser mitteilte, dass Admiral W. Ehm Ende des Jahres aus dem Dienst ausscheiden würde und er als sein Nachfolger vorgesehen sei. In der Volksmarine war das aber bis zur offiziellen Bekanntgabe des Termins nicht bekannt und Admiral W. Ehm war gerade im Ausbildungsjahr 1986/87 äußerst rege. Er leitete alle Überprüfungen, Übungen und Kontrollen persönlich, bzw. war anwesend, ich erinnere an „Hanse 87“, den Raketenschießabschnitt, „Wellenschlag 87“, „Synchron 87“, „Sojus 87“. Ein weiteres Argument ist meine durch ihn angeordnete Versetzung, die ihn wohl kaum interessiert hätte während der Vorbereitung auf seine Pensionierung. Das alles beweist, dass er absolut nicht an seinen Ruhestand dachte, bzw. bis zuletzt nicht daran glauben wollte.
Nachdem einige Zeit seit dem Ende der DDR und der damit verbundenen Auflösung der VM vergangen war, in der jeder vor allem mit sich selbst und auch mit den völlig veränderten Lebensbedingungen beschäftigt war, kam doch langsam der Wunsch auf, sich mit alten Kameraden wieder zu treffen. Wichtig war dabei, dass es dazu keinerlei Verpflichtungen gab. Ich hatte gleich mehrere „Institutionen“, mit denen ich im Laufe der Zeit die Verbindung wieder aufnahm, oder sie mit mir. Das war zunächst die 6. Flottille mit einer Einladung zur „Neueinweihung“ des Denkmals, nach dessen Rettung und Umsetzung, auf dem Friedhof in Dranske zum 01. Mai 2003. Hier wurde ich durch alte Kameraden Theodor Hoffmann, Günter Poller, Werner Murzynowski, Werner Blankenhagen, Michael Heese, Wolfgang Schwarzer, Berndt Borrmann u.a. herzlich begrüßt. Wir gedachten gemeinsam der ums Leben gekommenen Kameraden, machten ausgiebig „Klönsnack“ bei einer Dampferfahrt und abends im berühmt-berüchtigten „Boddenblick“. Ich wurde auch gleich Mitglied des Deutschen Marinebundes der Marinekameradschaft Bug e. V. Selbstverständlich nahm ich auch mit meiner Frau am Marineball 2007 in Juliusruh teil, an den wir uns gern erinnern. In diesem Jahr wird bereits der 20.Jahrestag gefeiert, natürlich wieder mit einem Marineball. Als sehr angenehm empfinde ich, dass ein ständiger Kontakt besteht vor allem mit Holger Neidel und Berndt Borrmann, gerade habe ich wieder eine neue Nummer der selbstgemachten Zeitschrift „Flaschenpost“ erhalten.
Auch die „Bakinzui“, der erste Lehrgang von Absolventen der VM an der Kaspischen Höheren Seekriegsschule „S. M. Kirow“ in Baku 1961-1966, treffen sich regelmäßig alle zwei Jahre an einem Wochenende. Im September war das Treffen 2011, an dem sogar unsere polnischen Freunde teilnahmen und bei dem ich zu meinem größten Bedauern aus Zeitgründen – vorliegendes Buch, fehlen musste.
Ein weiterer Freundeskreis ist mein Jahrgang von der Kadettenschule, der sich inzwischen auch regelmäßig jährlich an einem Wochenende ebenfalls in einer sehr herzlichen Atmosphäre mit Teilnahme unserer Frauen trifft. Immerhin liegt das gemeinsame Abitur jetzt schon 50 Jahre zurück und selbst unser damaliger Erzieher Dr. Günter Machold nimmt an unseren Treffen teil.
Selbstverständlich treffen sich auch die ehemaligen Angehörigen des Küstenraketenregiments-18, denen das oben erwähnte Buch gewidmet ist. Unser letztes Treffen war hier in Bentwisch im September 2018.
Im September 2008 wurde das erste Treffen ehemaliger Angehöriger der Raketenschnellbootsbrigade der VM durchgeführt- ein Wiedersehen mit Schnellbootfahrern und natürlich gab es viel zu erzählen. Beeindruckend war für mich unter Anderem, dass sich die ehemalige Besatzung des Raketenschnellbootes „753“ mit ihrem Kommandanten Leo Lau fast vollzählig versammelt hatte.
Treffen der RS-Brigade im September 2010, mit T. Hoffmann und E. Nitz beim Studium des Manuskripts unseres Buches.
Nach einer herzlichen kameradschaftlichen Begrüßung und Umarmung durch den ehemaligen Brigadechef, späteren Flottillenchef, Chef VM und letzten uniformierten Minister Theodor Hoffmann nutzte ich an diesem Abend später die Gelegenheit zu einer Aussprache mit ihm unter vier Augen. Dabei klärten wir mein Problem des Jahres 1987 in freundschaftlicher Atmosphäre. Theodor Hoffmann hat mich später dazu bewegt, die Erarbeitung der zuerst zu diesem Thema geplanten Broschüre und jetzt des Buches zu leiten. Er hat uns dabei stets mit Rat und Tat aktiv unterstützt. Nachdem er den ersten Entwurf des Manuskripts mit meinem Kapitel „Erinnerungen“ studiert hatte, äußerte er persönlich mir gegenüber seiner Anerkennung für die Arbeit und betonte mein Recht zur Kritik auch an seiner Person. Diese Haltung hat mich stark beeindruckt und ich möchte deshalb abschließend zu diesem Problem feststellen, dass Admiral a.D. Theodor Hoffmann trotz meiner kritischen Anmerkungen nicht nur für mich immer ein Vorbild war, sondern auch bei der überwiegenden Mehrzahl der anderen ehemaligen Angehörigen der Volksmarine bis heute ein sehr hohes Ansehen genießt!
Bilder: Lothar Schmidt, Wolfgang Schädlich, Klaus-Peter Gödde, Hans-Jürgen Galda. Dazu freie Bilder aus dem Internet.