Als Nächstes schloss ich einen Vertrag mit dem Kommando der Volksmarine ab, mit der Unterschrift des Chefs des Stabes, Konteradmiral Rolf Rödel, in dem die allgemeinen Formalitäten festgelegt waren. Zusätzlich wurden je ein Vertrag mit dem Kfz-Bataillon-18 abgeschlossen über den Einsatz von Kraftfahrzeugen für Transportleistungen (Baumaterialien) und mit dem Küstenraketenregiment 18. Letzterer beinhaltete den Einsatz der Pioniermaschine „BAT-M“ für zwei Stunden zum Ausschieben der Baugrube am 16.03.1989 und zweimal vier Stunden Einsatz eines Krans „ADK-125“ für das Aufsetzen der Betondeckenelemente für das Kellergeschoss am 06.08.1989 und das Erdgeschoss am 14.10.1989. Alle Einsätze waren gleichzeitig als Ausbildungsmaßnahmen geplant. Darüber wurden Rechnungen ausgestellt und dementsprechend durch uns bezahlt. Der Eigenheimbau war in der NVA immer mit Problemen verbunden, da die Eigenheimbauer meistens höhere Offiziere waren. Erstens war eigentlich dafür keine Zeit vorhanden und in unserem Fall stand ausreichend preiswerter Wohnraum zur Verfügung. Deshalb konnte es durchaus vorkommen, dass einem von überbewussten Parteigenossen „kapitalistisches Besitzstreben“ vorgeworfen wurde, was fast schon mit „parteischädigendem Verhalten“ gleichgesetzt werden konnte. Die Reaktion auf solche unsinnigen Anschuldigungen war einfach. Man brauchte nur auf die gültigen staatlichen Gesetze, siehe oben, verweisen, und der Staat war ja die Partei. Zweitens waren Fälle ausgewertet worden, wo hohe Vorgesetzte für ihren Eigenheimbau unbefugt ausschließlich unterstellte Soldaten eingesetzt hatten. Das wurde sehr hart bestraft, wenn es bekannt wurde. Ich kannte einen Fall, bei dem das zur Degradierung eines Generalmajors zum Gefreiten verbunden mit sofortiger Entlassung aus der NVA geführt hatte. Das konnte mir nicht passieren, ich habe körperliche Arbeit immer als willkommenen Ausgleich zur geistigen gesehen und habe mich nie auf Kosten Anderer bereichert. Bei uns wurde jeder Stein, jede Leistung mit Rechnung bezahlt und nachgewiesen. Ich glaube auch, dass ich beinahe jeden Stein selbst in der Hand gehalten habe, schließlich arbeitete ich auf meinem Bau als „1. Handlanger“. Später qualifizierte ich mich sogar mit Unterstützung unseres „Poliers“ zum „Hilfsmaurer“. Kontrolliert wurde aber immer. Die weitere Planung, vor allem das Beschaffen aller Genehmigungen, konnte ich erst 1988 fortsetzen, jetzt war dafür keine Zeit.
Völlig unverständlich war für mich die zeitgleiche Planung zweier Schwerpunkte des Ausbildungsjahres 1986/87 im Juni, des 4. Raketenschießabschnitts vom 8.- 19. und der Übung der Stoßkräfte der Volksmarine „Synchron 87“ vom 9.- 12. Und da das wohl noch nicht ausreichend war, wurde vorher noch vom 1.- 3. Juni die Überprüfung der Gefechtsbereitschaft „Wellenschlag 87“ durch den Minister für Nationale Verteidigung durchgeführt. Dabei erfolgte die Benachrichtigung und Heranholung des Personalbestandes in der Normzeit. Mein Führungspunkt entfaltete wie immer auf dem HGS des Chefs der Volksmarine und erarbeitete die befohlenen Gefechtsdokumente. Die 1. Küstenraketenabteilung entfaltete in den Dezentralisierungsraum Willershäger Forst und erfüllte Gefechtsaufgaben. Bei der Beladung der Startrampen mit Raketen demonstrierte sie eine neue Methode, die zur Verkürzung der Normzeiten führte. Die abschließende Bewertung war „Gefechtsbereit“ („Gut“).
Auch der 4.Raketenschießabschnitt des Regiments unter meiner Leitung war wieder erfolgreich. Teilnehmer war diesmal die 2. Küstenraketenabteilung, Kommandeur Korvettenkapitän Bernd Roesner. Beide Startrampenbesatzungen erzielten Volltreffer, woran ihre nun eigene Raketentechnische Batterie wesentlichen Anteil hatte. Das Besondere war, dass der Chef der Volksmarine, Admiral W. Ehm, erstmals anwesend war und uns persönlich seine Anerkennung für die ausgezeichneten Leistungen aussprach. Außerdem informierte er mich hier sofort über den erfolgreichen Einsatz der 1. Küstenraketenraketenabteilung unter ihrem Kommandeur Kapitänleutnant D. Braasch. Sogar seinen Namen hatte er sich nach dem überzeugenden Auftritt gemerkt.
In der gleichen Zeit wurde die Übung der Stoßkräfte der Volksmarine „Synchron 87“ durchgeführt. Das waren zweiseitige Handlungen, als „Gegner“ handelte das „Gemeinsame Geschwader“ der Verbündeten Ostseeflotten, das sich zu dieser Zeit in der Ostsee aufhielt. Für die Teilnahme an dieser Übung hatte ich die 1. Küstenraketenabteilung befohlen, Kommandeur Kapitänleutnant Dietmar Braasch, er hatte Ende 1986 diese Dienststellung von Korvettenkapitän U. Lonitz übernommen. Bevor ich nach Baltijsk zum Raketenschießen verlegte, hatte ich mit meinem Stabschef, Korvettenkapitän W. Schädlich, abgesprochen, dass er persönlich die Handlungen leiten solle. Ursache für meine Entscheidung war, dass die 1. KRA für die Dauer der Übung der 6. Flottille unterstellt war und das zu Problemen führen konnte, zumal Kapitänleutnant Braasch noch unerfahren als Kommandeur war. Aber sie schlugen sich ausgezeichnet. Der Führungspunkt des Regimentskommandeurs unter der Führung des Stabschefs verlegte mit der Abteilung in den Stellungsraum Kap Arkona. Ihnen wurde die Aufgabe gestellt, Raketenschläge gegen Überwasserschiffskräfte im Zusammenwirken mit den Schiffsstoßkräften zu führen. Der Kommandeur der Abteilung erarbeitete auf der Grundlage der Gefechtsaufgabe seinen Entschluss, was mit Unterstützung des Stabschefs und der erfahrenen Führungsgruppe für ihn kein Problem darstellte. Allerdings musste er ihn dem Chef der Volksmarine vortragen und in russischer Sprache.
SSR des KRR-18 in der Startstellung klar zum Start der Raketen, Demonstration.
Aber auch das war für ihn ein Vorteil, da er in Kiew studiert hatte. Natürlich stellte ihm Admiral W. Ehm Fragen, aber er beantwortete alle sicher. Da zuvor der Chef der 6. Flottille gemeldet hatte, war ein Vergleich möglich, der hier eindeutig zu Gunsten der Küstenraketentruppen ausfiel. Die Folge war ein sofortiges hohes Lob des STMCVM und die namentliche Nennung von Kapitänleutnant D. Braasch im Auswertebericht zur Übung. Selbstverständlich waren wir alle stolz auf ihn, hatte er sich doch in unserem Regiment erfolgreich vom Zugführer in der RTA zum Abteilungskommandeur entwickelt. Für mich gab es aber noch eine Schlussfolgerung, ich konnte mich voll auf meinen 1. Stellvertreter, den Stabschef, Korvettenkapitän W. Schädlich, verlassen. Er hatte wieder einmal bewiesen, dass er über ausgezeichnete Führungsqualitäten verfügte und die Kampfeinheiten unseres Regiments auch ohne mich jederzeit erfolgreich führen konnte. Während dieser Zeit musste außerdem wie immer ununterbrochen der Gefechtsdienst mit zwei Startrampen sichergestellt werden.
Insgesamt stellte das eine außerordentlich hohe Belastung für unsere Truppen dar und wir konnten stolz darauf sein, dass wir diese Vielzahl von komplizierten Aufgaben bis hierher erfüllt hatten. Damit hatten wir eine feste Grundlage für eine ausgezeichnete Bewertung bei der nun folgenden Inspektion des Ministeriums für Nationale Verteidigung geschaffen, zumal diese oben aufgeführten sehr guten Ergebnisse zum Teil mit in die Einschätzung eingehen mussten. So dachte ich!
Die Inspektion des Küstenraketenregiments 18 wurde in der Zeit vom 11.-14.08.1987 durchgeführt. Es war die erste und einzige vollständige in der Geschichte des Regiments. Die Verwaltung Inspektion des Ministeriums für Nationale Verteidigung genoss in der NVA nicht nur ein hohes Ansehen, sondern war zu Recht gefürchtet. Bei den Inspektionen von Truppenteilen und Verbänden wurde auf allen Gebieten tiefgründig und sachkundig kontrolliert. Beispiele aus der Praxis lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass die Gesamteinschätzung oft bereits vor Beginn einer Inspektion feststand. Diese wurde dann von höchsten Vorgesetzten festgelegt und richtete sich wohl nach wichtigen staatlichen Feiertagen, eine Erfolgsmeldung war erwünscht, der Teilstreitkraft, der Art des Truppenteils und ihren persönlichen Ansichten.
Der Stellv. des Ministers u. Chef der Politischen Hauptverwaltung der NVA Generalleutnant Kurt Brünner im KRR-18 1987.
In unserem Fall war wahrscheinlich das wichtigste Kriterium der Bewertung, dass wir dem Stellvertreter des Ministers und Chef der Volksmarine, Admiral W. Ehm, direkt unterstellt waren. Im Ergebnis einer Inspektion, Überprüfung, Kontrolle oder Übung erhielt der überprüfte Verband, Truppenteil, Einheit eine Einschätzung. Die konnte sein:
– „Gefechtsbereit“, entsprach dem Prädikat „Gut“,
– „Gefechtsbereit mit Einschränkungen“, „Befriedigend“,
– „Nicht Gefechtsbereit“, „Ungenügend“.
Außerdem wurden die Leistungen des Personalbestandes bei Normenabnahmen in der Gefechtsausbildung und Kontrollen der Politschulung/GWW benotet mit den üblichen Prädikaten „Sehr gut“, „Gut“, „Befriedigend“ und „Ungenügend“.
Bisher hatte ich nur angenehme Erinnerungen an die zwei Inspektionen, an denen ich persönlich in der 6. Flottille teilgenommen hatte. An der ersten im Juni 1968 als Kommandant des Raketenschnellbootes 751 „Karl Meseberg“, bei der ich im Hafen Saßnitz dem Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Hoffmann, die Übernahme von vier Raketen vorführen durfte. Anschließend legten wir ab mit dem Minister, seinen Stellvertretern, Admiral W. Verner war übrigens auch dabei, und Begleitung an Bord und führten in See einen imitierten Raketenangriff auf eine Schiffsgruppierung durch. Das alles bei miesem Wetter mit See 3, aber natürlich mit über 30 Knoten Geschwindigkeit! Bei der Auswertung wurde ich trotzdem mit einer Geldprämie belobigt. Bei der zweiten Inspektion im Juni 1971 war die durch mich geführte 5. Raketenschnellbootsabteilung die beste Einheit der 6. Flottille und ich wurde bei der Auswertung völlig überraschend vorzeitig zum Kapitänleutnant befördert!
An was ich mich allerdings auch noch erinnerte, war dass die Inspektionsoffiziere, um sie etwas positiver gestimmt auf ihre Aufgaben vorzubereiten, mit reichlich Alkohol und Räucheraal, „Goldstaub“ in der DDR, bewirtet und beschenkt wurden, wohl nicht nur in der 6. Flottille. Diese Möglichkeiten hatte ich im Regiment nicht und das widersprach auch meinen Auffassungen von Moral und Ethik. Für mich war das eine Form von Korruption und gehörte demzufolge nicht zu einer sozialistischen Armee.
Bereits ungefähr drei Monate vor Beginn der Inspektion führte ein kleiner Teil der Inspektionsgruppe stichprobenartige Kontrollen durch. Außerdem absolvierten wir im Juni noch erfolgreich unseren 4. Raketenschießabschnitt und gleichzeitig die Übung der Stoßkräfte der Volksmarine „Synchron 87“. Für mich ist nicht nachvollziehbar, wieso die bei diesen beiden wichtigen Einsätzen erzielte ausgezeichnete Bewertung unserer Einheiten nicht die Grundlage bildete für die Einschätzung des Standes der Taktischen Ausbildung im Regiment.
Die Inspektionsgruppe mit 16 Generalen und Offizieren, war für die Dauer der Inspektion im Sonderzug des Ministers für Nationale Verteidigung untergebracht, der auf dem Bahngleis außerhalb des Objekts abgestellt war. In unserem Regiment gab es für die vielen hohen Offiziere keine angemessenen Unterkünfte und außerdem war der Genuss von Alkohol bei uns streng untersagt.
Was sich während der Inspektion im Regiment ereignete, möchte ich, vorsichtig ausgedrückt, als ungewöhnlich bezeichnen. Die Inspektion des Küstenraketenregiments 18 durch die Verwaltung Inspektion der NVA begann wie üblich mit dem Auskunftsbericht des Kommandeurs über den Truppenteil. Der Inhalt dieses Berichts war genau vorgeschrieben, Dauer maximal 30 Minuten, und selbstverständlich hatte ich ihn vorher dem Chef der Volksmarine zur Kenntnisnahme vorgelegt. Seine Hinweise für Korrekturen hatte ich eingearbeitet. Teilnehmer an diesem Vortrag waren meine Stellvertreter und die gesamte Inspektionsgruppe unter Leitung des Chefs der Verwaltung Inspektion, Generalmajor Werner Käseberg. Nachdem ungefähr 15 Minuten meines Vortrags vergangen waren, erschien verspätet im Raum der Verantwortliche der Inspektionsgruppe für die Parteipolitische Arbeit, Kapitän zur See Günter Preil – ein eigentlich nicht nur unhöfliches Verhalten. Wir hatten gemeinsam in der 6.Flottille gedient und kurz vor meiner Versetzung gab es ein kleines Missverständnis. Er hatte mir damals versprochen, das nicht zu vergessen.
Vorführung des Beladens einer SSR mit Raketen vor dem STMCPHV Generalmajor K. Brünner im KRR-18.
Nach Beendigung meines Vortrages stellten die Mitglieder der Inspektionsgruppe, nach Aufforderung durch den Generalmajor, Fragen. Sofort meldete sich Kapitän zur See G. Preil, aber mit keiner Frage, sondern einer Feststellung: „Im Auskunftsbericht des Kommandeurs fehlte die Einschätzung der Parteipolitischen Arbeit!“ Ich war sprachlos, mein Bericht hatte mit diesem Punkt begonnen, das war so vorgegeben. Allerdings konnte er das ja gar nicht wissen, weil er doch nicht anwesend war! Offensichtlich war es eine Provokation und ich war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Als mich der Generalmajor zur Antwort aufforderte, sagte ich wahrheitsgemäß: „Genosse Generalmajor, ich habe zu Beginn meines Vortrages über die Parteipolitische Arbeit ausführlich berichtet, da war Kapitän zur See Preil nicht anwesend“. Der General bestätigte das, aber ich hätte mir den zweiten Teil des Satzes sparen müssen. Obwohl ich im Recht war, hatte ich einen Offizier der Inspektion kritisiert und das wurde von allen registriert. Ich hatte § 1 und § 2 nicht beachtet!
Ein weiteres Ereignis war für mich kennzeichnend dafür, dass hier irgendetwas nicht normal ablief. In der üblichen persönlichen Aussprache des Leiters der Inspektion mit dem Regimentskommandeur wurden mir von Generalmajor W. Käseberg mehrmals die gleichen Suggestivfragen gestellt. Das war etwa in der Art: „Ihr direkter Vorgesetzter, der Chef der Volksmarine Admiral Ehm, kümmert sich wohl nicht um das Regiment?!“ und „Sie erhalten wohl keine Unterstützung von ihrem direkten Vorgesetzten, Admiral Ehm?!“ Ich befand mich zwischen zwei Fronten und erkannte, egal was ich antwortete, es war immer falsch. Ich entschied mich für den Chef der Volksmarine und antwortete dem General, dass sich Admiral Ehm um das ihm unterstellte Regiment selbstverständlich kümmere und mich bei meiner Arbeit unterstütze. Das wollte er wohl nicht hören und ich hätte es auch anders sagen können, aber ich hatte meinen Stolz. Ich konnte meinen Vorgesetzten nicht „in die Pfanne hauen“, er hatte das nicht verdient! Ein weiteres unangenehmes Ereignis. Jetzt reagierte ich aber, den Chef der Volksmarine wollte ich nicht informieren. Ich wusste nicht, wie ich ihm das erklären sollte. Deshalb rief ich seinen Stellvertreter an, den Chef des Stabes, Vizeadmiral T. Hoffmann, den ich als Vorgesetzten und Vertrauensperson hoch achtete und verehrte, und informierte ihn telefonisch über dieses Gespräch mit dem General und die seltsamen Fragen. Ich bat ihn, den Chef der Volksmarine davon in Kenntnis zu setzen. Er sagte zu, stellte aber weder Fragen noch äußerte er sich dazu. Was ich nicht wissen konnte war, dass sich Vizeadmiral T. Hoffmann persönlich zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Übernahme der Dienststellung des Chefs der Volksmarine vorbereitete und ich deshalb wohl in dieser Frage keine Unterstützung von ihm erwarten konnte, wer legt sich schon mit der Inspektion an? Die Inspektion verlief weiter in ähnlichem Stil. Dabei kann ich keinesfalls behaupten, dass ungerecht bewertet wurde. Aber strenge Maßstäbe wurden angelegt und, selbst wenn es möglich gewesen wäre, kein „Auge zugedrückt“. Wir wurden gnadenlos vorgeführt!
Ein Zielschiff und gleichzeitig Torpedofänger der 1. Flottille „Strelasund“, hier nach der Auflösung der VM.
Besonders auffällig war das bei der Kontrolle der Taktischen Ausbildung. Eigentlich stand die Note ja schon fest: „Sehr gut“, erzielt beim faktischen Waffeneinsatz zum 4. Raketenschießabschnitt. Das galt mindestens für die Teilnehmer: Die Führung des Regiments, die 2. Küstenraketenabteilung, die beiden Besatzungen und die sicherstellenden Kräfte. Stattdessen wurden alle noch einmal überprüft, und das unter irregulären Bedingungen. Den Besatzungen der Startrampen wurde die Gefechtsaufgabe gestellt, ein gegnerisches Seeziel, dargestellt durch ein Zielschiff der Volksmarine mit ausgeschaltetem (!) Antwortgerät „Chrom“ der Freund- Feind- Kennungsanlage, mit Kurs durch die Kadetrinne, das ist der Tiefwasserweg zwischen Gedser Odde und Darßer Ort, selbständig zu bekämpfen. Das alles ohne jede Sicherstellung durch Aufklärung, was gleichbedeutend war mit: Exakte Klassifizierung des Zieles unmöglich! Jeder, der einmal in der Ostsee zur See gefahren ist, kennt den starken Schiffsverkehr in dem angeführten Gebiet. Damit war klar, dass die Bekämpfung des richtigen Zieles durch unsere SSR reiner Zufall sein musste. Die Startrampen handelten fehlerlos und bekämpften in der Normzeit das Ziel – aber nach Feststellung der Offiziere der Inspektion, die die durch unsere Startrampen errechneten Zielwerte mit denen auf ihrer Karte verglichen, war es natürlich das falsche! Das war reine Theorie, konnte aber leider nicht widerlegt werden. Damit erhielten wir in der Taktischen Ausbildung nur die Note „Befriedigend“ und die war bestimmend für die Gesamtbewertung, die nicht besser sein konnte. Für mich war das äußerst deprimierend. Unser gesamter Personalbestand bemühte sich ohne Ausnahme um Höchstleistungen und das wurde weder registriert, noch anerkannt – im Gegenteil. Und was noch schlimmer für mich war, es existierte nicht die geringste Chance einer positiven Einflussnahme. Es gab überhaupt keine Reaktion von Seiten der Inspektionsoffiziere auf meine Versuche, das Problem dieser ungerechten Bewertung mit ihnen zu klären. Der verantwortliche Offizier der Inspektionsgruppe für die Taktische Ausbildung war übrigens auch ein alter Bekannter aus gemeinsamer Dienstzeit in der 6. Flottille, Kapitän zur See Günter Müller („Attacke“). Ich hatte damals in meinem jugendlichen Leichtsinn seine Arbeit als mein Vorgesetzter kritisiert.
Selbstfahrende Startrampen auf dem Marsch, hier der Rumänischen Flotte.
Eine weitere Episode dieser Art war, dass Generalmajor W. Käseberg im persönlichen Gespräch versuchte, den Stabschef des Regiments, Korvettenkapitän W. Schädlich, vorzuführen, indem er ihm Fragen stellte, die den Gefechtseinsatz der Landstreitkräfte betrafen. Als wenn er nicht gewusst hätte, dass die Küstenraketentruppen eine Waffengattung der Marine sind!
Ansonsten wurden wieder die schon bekannten, ungelösten Probleme festgestellt, aber diesmal im Auswertebericht etwas schärfer formuliert und an die richtige Adresse, den Chef der Volksmarine, gerichtet: Ungünstige Dienst-, Arbeits- und Lebensbedingungen der Angehörigen des Regiments, ein ständiges Fehl an Personal, fehlende bzw. keine moderne Sicherstellungstechnik, das Fehlen einer Ausbildungsbasis, ungenügende Unterstützung u.a. Das war aber weder für das Regiment noch für mich von Vorteil. Diese Probleme blieben zum größten Teil weiterhin ungelöst und letzten Endes doch an mir hängen.
Das Ergebnis war entsprechend: „Gefechtsbereit mit Einschränkungen“ („Befriedigend“), das stand wohl schon vor der Inspektion fest. Eine gründliche Auswertung wurde durchgeführt und der Termin der Nachinspektion auf Anfang November festgelegt, das war nach nur 3 Monaten.
Später erhielt ich Informationen, dass es in der 7.Raketenschiffsbrigade der 6.Flottille bei der Inspektion 1986 ähnliche Erscheinungen und die gleiche Einschätzung gegeben hatte. Im Unterschied zum KRR-18 erfolgte die Nachinspektion hier aber erst ein halbes Jahr später und es gab auch keine anschließenden Versetzungen.
Der STMCVM, Admiral W. Ehm, Im Gespräch mit Angehörigen des KRR-18 beim 4.RSA im Feldlager.
Bis zur Nachinspektion hatten wir aber noch andere Aufgaben zu erfüllen. Das war das Feldlager einer Küstenraketenabteilung und der nächste Schwerpunkt, die gemeinsame Kommandostabsübung der Vereinten Streitkräfte der WVO „Sojus 87“ unter der Leitung des sowjetischen Marschalls V. G. Kulikow in der Zeit vom 08.-15. September. Während der gesamten Zeit dieser Übung arbeitete ich mit meinem personell leicht verstärkten Führungspunkt als Chef der Küstenraketentruppen auf dem HGS des Chefs der Volksmarine. Ich musste auf der Grundlage von Gefechtsbefehlen mehrere Entschlüsse erarbeiten und vortragen, wie immer überwiegend in russischer Sprache. Wir führten ständig die Lage auf der Karte, wofür es entsprechend der Entwicklung der Kampfhandlungen Einlagen einschließlich des Einsatzes taktischer Atomwaffen gab. Im Weiteren wurden offensive Handlungen mit Verlegungen von Kampfeinheiten, auch der Küstenraketentruppen, in Richtung Westen bis zur Deutschen Bucht geplant. Außerdem war mein Reserveführungspunkt unter Leitung des Stabschefs im Objekt entfaltet und arbeitete ebenfalls mit. Teilweise wurde eine Küstenraketenabteilung in die darstellenden Handlungen einbezogen, allerdings nicht an der Nordseeküste, das war reine Theorie. Insgesamt erhielten die Kräfte unseres Regiments, die an dieser wichtigsten Übung des Ausbildungsjahres teilgenommen hatten, eine gute Einschätzung.
Die Nachinspektion in vollem Umfang wurde in der Zeit vom 2. bis 6. November 1987, also nicht einmal drei Monate nach der Inspektion, in dem gleichen Stil durchgeführt, ergab aber die Einschätzung „Gefechtsbereit“ („Gut“). Natürlich konnte es im Regiment in dieser kurzen Zeit bei der hohen Belastung des Personalbestandes keine wesentlichen Veränderungen zum vorherigen Zustand gegeben haben. Auch das beweist die wohl gewollt unreale Bewertung bei der Inspektion. Andererseits hatten unsere Truppen auch dazugelernt, sie waren einfach cleverer geworden!
Auswertung
Und wieder hatten wir ein Ausbildungsjahr, bereits das vierte, mit einer Vielzahl von Schwerpunkten, Aufgaben und Hauptaufgaben erfolgreich hinter uns gebracht. Wovon ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts ahnte war, dass der Termin der Versetzung von Admiral W. Ehm in den verdienten Ruhestand jetzt bereits feststand und meiner wohl auch, aber natürlich nicht in den Ruhestand. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich mit auch nur einem Gedanken an meine mögliche Versetzung gedacht. Ich sah überhaupt keinen Grund dafür, hatte doch das Küstenraketenregiment 18 unter meiner Führung auch dieses letzte Jahr mit einer hohen Anzahl von Aufgaben erfolgreich absolviert. Noch während des 4.RSA im Juni 1987 hatte der Chef der Volksmarine bei seinem Besuch mit mir mehrere vertrauliche Gespräche geführt, wobei er mir wie immer Hinweise für meine weitere Arbeit gegeben hatte. Unser persönliches Verhältnis war unverändert sehr gut und eine mögliche Versetzung war überhaupt nie ein Thema gewesen. Und so fiel ich aus allen Wolken, als mich nach der Nachinspektion Kapitän zur See Hein Manschus unter vier Augen darüber informierte, dass sich der Chef der Volksmarine anscheinend mit meiner Versetzung beschäftige. Kurze Zeit später erhielt ich von meinem Kaderoffizier, Kapitänleutnant Sascha Teuber, eine ähnliche vertrauliche Information. Ohne auf diese inoffiziellen Informationen zu reagieren, wie sollte ich auch, beschäftigte ich mich weiter mit der Hauptaufgabe im Regiment, der Vorbereitung des neuen Ausbildungsjahres 1987/88. Wie jedes Jahr mussten alle Dokumente dafür im November fertig vorliegen.
Kurze Zeit später wurden meine Stellvertreter, ohne dass ich durch ihn darüber informiert wurde, zu einem Gespräch beim Chef der Volksmarine befohlen, an dem auch seine Stellvertreter teilnahmen. Admiral W. Ehm erklärte ihnen, dass er sich entschlossen habe, mich zu versetzen, da er mit meiner Führungstätigkeit unzufrieden sei. Meine Stellvertreter wurden aufgefordert, sich dazu zu äußern. Er war äußerst ungehalten darüber, dass keiner meiner Stellvertreter seiner Meinung zustimmte. Sie waren nicht bereit, mir eine schlechte Arbeit zu bestätigen und meine Versetzung zu befürworten, wie er es von ihnen erwartete. So eine Haltung einzunehmen, war übrigens nicht einfach. Mein Stabschef, Korvettenkapitän Wolfgang Schädlich, informierte mich danach sofort ausführlich über dieses Gespräch, was ihm sichtlich unangenehm war.
Gleichzeitig wurde die Parteileitung meiner SED-Grundorganisation, Parteisekretär Jürgen Zöger, Mitglieder Sascha Teuber und Frank Kretzschmann, beauftragt, die für meine geplante Versetzung notwendige parteipolitische Beurteilung zu erarbeiten. Ich nahm nicht daran teil, obwohl ich auch Mitglied war. Diese wurde gemeinschaftlich, korrekt geschrieben mit Datum 18.11., aber durch den vorgesetzten Leiter der Politabteilung Kapitän zur See Hein Manschus, der im Auftrag des Chefs der Volksmarine und des Chefs der Politischen Verwaltung, Konteradmiral H. Heß, handelte, nicht akzeptiert. Sie war zu gut, mit dieser Beurteilung ließ sich meine Versetzung nicht begründen, also hieß es – überarbeiten. Die Parteileitung ließ sich nicht unter Druck setzen, sie stimmte noch einmal darüber ab und übergab die Beurteilung unverändert! Erneute Auseinandersetzung mit Kapitän zur See H. Manschus, der ihnen erklärte, was in der Beurteilung stehen müsse. Sie ließen aber eine Bevormundung der Parteileitung nicht zu, weigerten sich kategorisch, etwas zu verändern und gaben die Beurteilung wieder unverändert ab! Über diesen Vorgang informierte mich ausführlich der Parteisekretär Jürgen Zöger. Die Haltung meiner engsten Mitarbeiter bei diesem Problem beweist, dass in der Führung unseres Regiments ein echtes kameradschaftliches Verhältnis bestand. Diese Feststellung half mir moralisch sehr, konnte aber meine durch den Chef der Volksmarine geplante Versetzung, mit der ich grundsätzlich nicht einverstanden war, leider auch nicht verhindern.
Der Vertreter des VOK, Admiral N. I. Chowrin, bei der Begrüßung der Stellvertreter des Regimentskommandeurs 1984.
Mitte November erhielt ich einen Telefonanruf vom Stab der Volksmarine mit der Information, dass am Vormittag des nächsten Tages der Chef des Stabes, Vizeadmiral T. Hoffmann, in Begleitung des Chefs Kader, Kapitän zur See C. Pahlig, bei mir zu einem Gespräch eintreffen würde. Zu meinem Vorteil kannte ich nun schon das Thema des Gesprächs und konnte mich psychisch darauf vorbereiten, was nicht einfach war. Am nächsten Tag empfing ich zum angegebenen Zeitpunkt den Chef des Stabes am KDL und erstattete ihm Meldung. Er gab mir die Hand, ich glaube, es war das letzte Mal in meiner Dienstzeit in der Volksmarine. Wir gingen in mein Dienstzimmer, wo er dann das Gespräch mit mir führte. Das war die erste Kaderaussprache mit mir zum Thema meiner Versetzung. Vom Wesen her war das aber keine Aussprache, sondern mehr eine Befehlsausgabe in einer für mich unverständlichen, unpersönlichen Atmosphäre. Vizeadmiral T. Hoffmann, sein bevorstehender Einsatz als Chef der Volksmarine war jetzt bekannt, teilte mir ohne Angabe von Gründen lediglich lakonisch mit, dass ich zum 01.12.1987 versetzt würde. Und zwar an die Offiziershochschule (OHS) der Volksmarine in Stralsund in die Dienststellung stellvertretender Lehrstuhlleiter, mit der Perspektive, später als Lehrstuhlleiter eingesetzt zu werden. Das war eigentlich eine sehr gute Dienststellung und entsprach durchaus meinen Ansichten, aber nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht unter diesen Umständen. Auf Grund der über einen längeren Zeitraum hohen psychischen und physischen Belastung und der, meiner Meinung nach, äußerst ungerechten Behandlung, war jetzt meine Geduldsgrenze erreicht. Obwohl mir die Folgen bekannt waren, wurde ich aufsässig. Das erste Mal in meiner langen Dienstzeit in der Volksmarine äußerte ich in einer Kaderaussprache gegenüber einem Vorgesetzten, dass ich mit meiner Versetzung nicht einverstanden sei, da ich dafür keinen Grund erkennen könne. Kurze Fassungslosigkeit ob meines unmilitärischen Widerspruchs. Dann wurde mir einfach gesagt, dass das bereits entschieden sei. Ich bat darum, erst mit meiner Frau darüber sprechen zu dürfen, da ja mit dieser Standortveränderung ein Umzug der Familie verbunden wäre.
Der STMCVM, Admiral W. Ehm, im Gespräch mit unseren Raketen- und Kfz-Spezialisten beim 4. RSA des KRR-18 1987.